Die zweite Geburt

Artikel „Die zweite Geburt“ von Thomas Schmelzer, Autor von „Die Stille in mir“, Regisseur, Moderator und Redaktionsleiter (Quelle: Engelmagazin, Ausgabe Oktober 2016)

Im Alter von 24 Jahren erfuhr ich eine Art zweites Erwachen, gerne nenne ich es deswegen auch „Zweite Geburt“. Und das geschah in einem Krankenhaus in München während einer existenziellen, lebensbedrohlichen Krise: dem Krebs.

Über diesen Wendepunkt in meinem Leben habe ich schon an mancher Stelle erzählt – diesmal will ich es aus einer neuen anderen Perspektive tun, nämlich aus einer spirituellen. Im Spirituellen geschieht nichts ohne tieferen Sinn, jedenfalls nicht solch einschneidende Erlebnisse. Man wird nicht eben mal zufällig krank, begegnet nicht plötzlich einer Person, die zum zukünftigen Lebenspartner wird, erhält nicht einfach so ein neues Jobangebot.

Wenn man also vermutet, dass es auch bei meiner Krankheit durchaus wichtig war, dass sie genau so geschehen sollte, dann wäre dies das Szenario:

Immer wieder einmal, schon als Kind, hatte ich Lichtblitze, Erkenntnisse, innere Bilder, die mir sagten: Ja, ich habe noch eine bestimmte Aufgabe vor mir. Ja, ich habe etwas zu sagen, was vielen Menschen helfen kann. Das war zum Teil so intensiv, dass ich noch Wochen danach von dieser kleinen Einsicht zehrte, die mir zugleich vermittelte: Bleib hier, es wird alles gut.

Denn es war ganz und gar nicht gut, mein Leben in der Kindheit. Ich möchte auch niemanden die Schuld geben, vielleicht wollten noch einige Probleme aus früheren Leben noch einmal angesehen werden, vielleicht sollte die Reibung mit Eltern und Mitschülern auch sein, um daran zu wachsen.

Oft aber fragte ich nach dem Sinn. Selten bekam ich eine Antwort, eine Idee, bis auf jene seltenen Momente, in denen mir eine innere Stimme sagte: Alles ist gut, alles zu seiner Zeit, du wirst mit Freuden eine sehr sinnvolle Arbeit tun dürfen. Ich wuchs auf, lernte dazu und kam nur schwer zurecht in der Welt der Teenies, des Stärkeren, der mentalen Lernmaschine Schule. Es waren ganz andere Themen, die mich interessierten, für die ich aber keine Gesprächspartner fand, allerdings selbst auch viel zu verschlossen und ängstlich war, diese möglichen Menschen überhaupt zu finden und anzusprechen.

Irgendwann im Alter von 24 Jahren hatte ich das Abitur in der Tasche (zweiter Bildungsweg) und eine erste große TV-Rolle als Schauspieler hinter mir. Aber ich war traurig und allein. Ich hatte nicht verstanden, dass der Mensch sich selbst aus dem Leid, dem Unglück herausmanövrieren kann, indem er nach und nach seine Themen aufarbeitet, sich Hilfe holen, sein wahres Potential erkennen und leben lernen kann.

Im Winter begannen Schmerzen in den Beinen, den Unterschenkeln, immer stärker sich zu melden. Nach vielen Irrläufen und Arztbesuchen kam eine Spezialistin auf die Idee, mich im Kernspintomographen „in Scheiben zu schneiden“, also zu untersuchen. Nach der Prozedur stand sie mit hochrotem Kopf vor mir und traute sich nicht, mir die Ergebnisse mitzuteilen. Sie müssten ja erst bestätigt werden. Ich aber spürte plötzlich den Ernst der Lage.

Einige Zeit später waren die Schmerzen unerträglich geworden. Man fuhr mich ins Krankenhaus, eine erneute Untersuchung wurde gemacht mit dem Ergebnis, dass ich sofort operiert werden müsse. Eine Metastase war in die Wirbelsäule gewachsen und hatte bereits den Nervenstrang so eingedrückt, dass sich erste Lähmungserscheinungen in den beiden Beinen zeigten. Wie ohnmächtig willigte ich ein und ließ die Sache über mich ergehen. So, wie ich es schon so oft gemacht habe.

Acht Stunden später wachte ich auf, voller Schmerzen, und es begann sofort eine Chemotherapie. Dies sollte sich mit Abständen, über ein halbes Jahr hinziehen. Non-Hodgin-B-Lymphom war die Diagnose, schnell wachsend. Man gab mir nur wenig Chancen, aber ich junger Mensch könne es ja vielleicht trotzdem schaffen.

Einige Tage später, die Nadel des ersten Chemo-Zyklus war gerade entfernt worden, kulminierten all die Verzweiflung, die Ängste, die Traurigkeit in mir. Es lösten sich alle Gefühle, die ich bisher sorgsam zurückgehalten hatte.

Es geschah ein intensiver Wendepunkt, der mein gesamtes Leben in eine neue Richtung brachte und mich letztendlich heilte. Ich ließ mich nun, einem inneren Impuls folgend, erstmals einfach fallen – in die Ängste, in die Gefühle, in die Leere, also in all das, was ich zuvor befürchtet hatte. In mir sagte es so etwas wie „Soll geschehen, was geschehen mag. Dein Wille geschehe.“

Aus dem Fallen in die Dunkelheit wurde ein Schweben, ein sanftes Sein inmitten von Licht, von Liebe, von purem Sein. Ich war wacher, bewusster als je zuvor und war ganz im Herzen. In mir war ein klares Gefühl, ein klares Wissen um Aufgehobenheit, um Beschütztsein. Eine innere Stimme sagte mir: „Siehst du, alles ist gut! Du bist frei, du bist heil, du bist unsterblich.“

Aber: Was willst du?

Ich blickte voller Staunen auf diese Frage. Hatte ich sie mir zuvor gestellt? Ich erinnerte mich an jede Visionen der Kindheit und spürte deutlich: Ja, ich will hier bleiben, ich habe noch etwas zu tun, ich will vermitteln …

Und es dauerte nicht lange, bis ich nun auch begriff, worüber ich sprechen und berichten wollte: Über jene mystischen Erlebnisse, über jenen inneren Frieden, den ich noch nie zuvor so intensiv fühlen durfte wie zu jenem Zeitpunkt. Ja, wenn es so etwas Wunderbares auf Erden zu erfahren gibt wie die Liebe, in der ich mich plötzlich wiederfand – dann wollte ich noch eine Weile bleiben und dies erforschen, dies zum Thema meines Schaffens machen …

Nehmen wir an, es gibt Engel und Geistführer, die uns führen und leiten, wie es viele hellsichtige spirituelle Lehren vermitteln – dann blickten diese geistigen Führer vielleicht in jenem Augenblick zu mir und dachten: Puh, nochmal geschafft, er ist wieder auf der Spur. Die Sache läuft …“

Tatsächlich verließ mich die Gewissheit, gesund werden zu können, seit jenem Zeitpunkt nicht mehr. Es dauerte noch gut ein halbes Jahr – ich verließ schon bald und nicht nach den Plänen der Ärzte das Krankenhaus und machte mit Heilpraktikern und inneren Meditationen weiter – dann war ich wieder gesund.

Vielleicht ist das alles ja auch zufällig geschehen, wie der normale materiell denkende Mensch sicherlich vermuten mag (und angeblich ist ja uch unser ganzer wundervoller Planet mit all dem Leben aus Zufall entstanden, wie die noch vorherrschende Wissenschaft es glaubt zu wissen). Aber mein Herzenswissen und die Beschäftigung mit vielen spirituellen Lehren in den vergangenen zwanzig Jahren sagt mir etwas anderes:

Ich glaube an einen Lebensplan.

Vielleicht hatte sich meine Persönlichkeit (also nicht die Seele, jene unsterbliche Instanz, zu der ich während des mystischen Erlebens wieder mehr Zugang gefunden hatte) zu sehr vom positivem Weg entfernt, hatte verpasst, das Gute zusehen und zu erkennen, dass sie selbst die ersten Schritte zur Verbesserung gehen darf und kann. Es brauchte also ein gewaltiges Gewitter, um endgültig aus einem resignativen Halbschlaf aufzuwachen und zu erkennen, wer ich wirklich war und wer wir alles sind: göttliche Funken, die ihre ganz besondere Mission haben, ihre ganz eigene Botschaft, ihr ganz eigenes Licht, mit der sie Welt beglücken können.

Es geht aber zunächst darum, dieses innere Licht nach und nach zu erkennen. Wer bin ich wirklich? Welche tiefen Wünsche und Sehnsüchte schlummern in mir? Was sind meine Werte, wie möchte ich leben? DAS sollte jedes Kind in der Schule lernen: liebevolle Selbsterkenntnis, das Wissen, dass die Seele sich stets weiterentwickelt, dass ein Lernen nie aufhört …

Sicher spielten auch andere Komponenten eine Rolle, weswegen ich vielleicht krank geworden war, doch sie alle lassen sich auf die seelische Befindlichkeit zurückführen: Ich hatte mich nicht um gesunde Ernährung oder Bewegung gekümmert, ja, hatte meinen Körper nicht gemocht. Aber auch dies war nur zu heilen, wenn die Seele heilte, wenn es mir also gelingen würde, mich zu lieben, anzunehmen – vor allem auch meine Schattenseiten. Die Liebe zum Körper folgte dann wie von selbst.

Und in meinem Falle war die Erkenntnis der Leidenschaft wichtig, die ich schon immer dafür hegte, heilsames Wissen zu vermitteln. Spätestens seit ich das auch im Beruf verwirklichen konnte, fühlte ich mit heil.